Meldepflichten und Epidemiologisches Meldesystem (EMS)

Inhalte

​​​​​Anzeigepflicht nach EpiG

Gesundheitsbehörden erlangen für gewöhnlich nicht unmittelbar Kenntnis vom Auftreten übertragbarer Krankheiten. Deshalb besteht gemäß § 1 Abs. 1 EpiG für übertragbare Krankheiten mit hohem Gefährdungspotenzial eine Anzeigepflicht. Dieser unterliegen Erkrankungsfälle, Todesfälle und vielfach auch Verdachtsfälle. Sofern es aus epidemiologischen Gründen gerechtfertigt oder aufgrund internationaler Verpflichtungen erforderlich ist, können gemäß § 1 Abs. 2 EpiG durch Verordnung der:des Gesundheitsminister:in weitere übertragbare Krankheiten anzeigepflichtig gemacht oder bestehende Meldepflichten erweitert werden. Die Anzeigepflicht ist ein wichtiges Mittel für die Überwachung von übertragbaren Krankheiten und in weiterer Folge Voraussetzung für das Setzen von gesundheitsbehördlichen Maßnahmen nach dem EpiG, wie etwa Erhebungen und Absonderungen bzw. Verkehrsbeschränkungen.

Bei Auftreten von anzeigepflichtigen Krankheiten ist es unbedingt erforderlich, dass den Behörden verlässliche Informationen rasch zur Verfügung stehen. Nur so lassen sich betroffene Personen(gruppen) und Regionen sowie Infektionsquellen zeitnah feststellen und entsprechende Maßnahmen einleiten. Eine Anzeige hat gemäß § 2 Abs. 1 EpiG binnen 24 Stunden an jene Bezirksverwaltungsbehörde zu ergehen, in deren Gebiet sich die:der Kranke oder Krankheitsverdächtige aufhält oder der Tod eingetreten ist. Verpflichtet zur Anzeige sind nach § 3 Abs. 1 EpiG bestimmte Personengruppen und Einrichtungen, welche typischerweise mit Krankheitsfällen in Berührung kommen.

Der Anzeigepflicht unterliegen gemäß § 3 Abs. 1 EpiG folgende Personengruppen:

  • Die:der zugezogene Ärzt:in, die Leitung in Kranken-, Gebär- und sonstigen Humanitätsanstalten oder durch besondere Vorschriften hierzu verpflichtete Vorstehende (Z 1)
  • Die Labors, die den Erreger einer meldepflichtigen Krankheit diagnostizieren (Z 1a)
  • Die zugezogene Hebamme (Z 2)
  • Die berufsmäßigen Pflegepersonen, die mit der Wartung der:des Kranken befasst sind (Z 3)
  • Die Anstaltsleiter:innen bezüglich ihren betrauten Personen (Z 4)
  • Die Vorstehenden von Lehranstalten und Kindergärten in Bezug auf die ihnen unterstehenden Schüler:innen, Lehrpersonen und Schulbediensteten (Z 5)
  • Die Wohnungsinhaber:innen oder an deren Stelle mit der Obsorge für die Wohnung Betraute (Z 6)
  • Die Inhaber:innen von Gast- und Schankgewerben sowie deren Stellvertretung in Bezug auf die von ihnen beherbergten oder bei ihnen bediensteten Personen (Z 7)
  • Die Hausbesitzer:innen oder mit Handhabung der Hausordnung betraute Personen (Z 8)
  • Bei Milzbrand, Psittakose, Rotz, Puerperalfieber und Wutkrankheit (Lyssa) und Bissverletzungen durch wutkranke oder -verdächtige Tiere, Tularämie, Bang‘scher Krankheit, Trichinose, Leptospiren-Erkrankungen und Infektionen mit dem Influenzavirus A/H5N1 oder einem anderen Vogelgrippevirus auch Tierärzt:innen, wenn sie in Ausübung ihres Berufes von der erfolgten Infektion eines Menschen oder dem Verdacht einer solchen Kenntnis erlangen (Z 9)
  • Die Totenbeschauer:innen (Z 10)

Die Verpflichtung zur Anzeige obliegt den in Z 2 bis 8 leg. cit. genannten Personen nur dann, wenn ein:e in der Aufzählung vorher genannte:r Verpflichtete:r nicht vorhanden ist. Das bedeutet beispielsweise, wenn ein:e Ärzt:in bereits hinzugezogen wurde (Z 1), entfällt die Meldepflicht für die berufsmäßige Pflegepersonen im Sinne der Z 3. Es ist darauf hinzuweisen, dass Labore unabhängig davon immer zu melden haben.

Die angezeigten Fälle sind im Epidemiologischen Meldesystem (EMS) zu erfassen, wodurch eine fallbasierte Überwachung des Infektionsgeschehens ermöglicht wird. Labore haben hierbei ihre Anzeige direkt ins EMS elektronisch einzutragen. Sonstige Anzeigen, die an eine Bezirksverwaltungsbehörde ergehen, sind von dieser in das EMS einzupflegen.

Vorgaben zur Anzeige sind weiters in den nachfolgenden Verordnungen festgelegt:

  • Verordnung betreffend die Anzeige von übertragbaren Krankheiten, BGBl. Nr. 189/1948, idgF.
  • Verordnung betreffend elektronische Labormeldungen in das Register anzeigepflichtiger Krankheiten, BGBl. II Nr. 184/2013, idgF.
  • Verordnung betreffend elektronische Meldungen von Ärztinnen/Ärzten und Krankenanstalten in das Register anzeigepflichtiger Krankheiten, BGBl. II Nr. 200/2013, idgF.

Bei Verstoß gegen die Anzeigepflicht besteht die Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach § 39 Abs. 1 EpiG.

​​​Meldepflicht nach Tuberkulosegesetz

Eine Meldepflicht gilt gemäß § 3 Tuberkulosegesetz sowohl für eine ansteckende als auch eine nicht ansteckende Tuberkuloseinfektion mit aktiver Erkrankung sowie für jeden positiven Nachweis eines Tuberkuloseerregers. Auch der Krankheitsverdacht ist meldepflichtig, wenn sich die krankheitsverdächtige Person der endgültigen diagnostischen Abklärung entzieht. Todesfälle, bei denen anlässlich der Totenbeschau oder Obduktion eine Tuberkuloseerkrankung nachgewiesen werden kann, sind unabhängig davon zu melden, ob bereits eine Erkrankungsmeldung vorausgegangen ist.

Zur Meldung verpflichtet sind gemäß § 4 Abs. 1 Tuberkulosegesetz neben Ärzt:innen, ärztliche Leiter:innen bzw. zur ärztlichen Aufsicht verpflichtete Ärzt:innen von Krankenanstalten, Kuranstalten, Pflegeheimen und ähnlichen Einrichtungen, weiters Totenbeschauer:innen und Prosektor:innen sowie Labore, wenn ein Tuberkuloseerreger im Labor nachgewiesen wird. Behandelnde Ärzt:innen und Krankenanstalten haben der Bezirksverwaltungsbehörde – unbeschadet der sonstigen Meldepflicht – nach § 11 Abs. 1 Tuberkulosegesetz diejenigen Personen zu melden, die sich wegen einer Erkrankung oder eines Krankheitsverdachts an Tuberkulose in ihrer Behandlung befinden oder sich ihrer Behandlung bzw. diagnostischen Abklärung entzogen haben.

Weiters haben nach § 4 Abs. 3 Tuberkulosegesetz Tierärzt:innen, die in Ausübung ihres Berufes einen begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer Infektion mit einem Tuberkuloseerreger bei Personen in der Umgebung von Tierbeständen hegen oder von der Infektion eines Menschen mit einem Tuberkuloseerreger oder dem Verdacht einer solchen durch den Umgang mit Tieren oder tierischen Produkten Kenntnis erlangen, dies zu melden.

Die Meldung muss gemäß § 5 Abs. 1 Tuberkulosegesetz innerhalb von drei Tagen an die Bezirksverwaltungsbehörde ergehen, in deren Sprengel die kranke, krankheitsverdächtige oder verstorbene Person ihren aktuellen oder vorherigen Wohnsitz hat bzw. hatte. Sollte die betroffene Person (in Österreich) keinen Wohnsitz haben, hat die Meldung an die Bezirksverwaltungsbehörde des Aufenthaltsorts zu erfolgen. Die Meldung durch Ärzt:innen, ärztliche Leiter:innen bzw. zur ärztlichen Aufsicht verpflichtete Ärzt:innen, Totenbeschauer:innen und Prosektor:innen hat nach § 5 Abs. 1a Tuberkulosegesetz schriftlich oder elektronisch durch Eingabe der Meldung in das EMS zu erfolgen. Labore haben gemäß § 5 Abs. 2 Tuberkulosegesetz ihrer Meldeverpflichtung ausschließlich elektronisch durch Eingabe der Meldung in das EMS nachzukommen. Anzeigen, die schriftlich an eine Bezirksverwaltungsbehörde ergehen, sind von dieser in das EMS einzupflegen.

Leiter:innen von Schulen, Kindergärten und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen, in denen sich Minderjährige aufhalten, unterliegen ebenfalls einer Meldepflicht. Diese haben gemäß § 28 Abs. 1 Tuberkulosegesetz von Personen, die in ihrer Einrichtung beschäftigt sind oder betreut werden und Symptome einer Tuberkuloseerkrankung aufweisen, die Vorlage eines lungenfachärztlichen Zeugnisses über das Nichtvorliegen einer Tuberkuloseerkrankung zu verlangen. Falls ein solches Zeugnis in angemessener Frist nicht vorgelegt oder der Verdacht durch dieses Zeugnis nicht beseitigt werden kann, hat die:der Leiter:in die betreffende Person der Bezirksverwaltungsbehörde zu melden.

Bei Verstoß gegen die Meldepflicht besteht die Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach § 48 Z 1 Tuberkulosegesetz.

​​​​​Meldepflicht nach AIDS-Gesetz 1993

Meldepflichtig sind gemäß § 2 Abs. 1 AIDS-Gesetz 1993 alle manifesten Erkrankungen an AIDS. Weiters ist auch jeder Todesfall meldepflichtig, wenn anlässlich der Totenbeschau oder Obduktion festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt des Todes eine Erkrankung an AIDS bestanden hat, unabhängig davon, ob bereits eine Meldung über den vorangegangenen Krankheitsfall erfolgt ist. Wann eine Erkrankung an AIDS im Sinne dieser Regelung vorliegt, ist in der Verordnung über den Infektionsnachweis und die Indikatorerkrankungen für AIDS festgelegt.

Zur Meldung verpflichtet sind nach § 2 AIDS-Gesetz 1993 alle freiberuflich tätigen Ärzt:innen, die ärztlichen Leiter:innen von Krankenanstalten sowie Totenbeschauer:innen und Prosektor:innen.

Nach Feststellung der Diagnose hat die Meldung gemäß § 3 AIDS-Gesetz 1993 schriftlich innerhalb einer Woche an das Gesundheitsministerium zu ergehen. Die Meldung hat die Initialen (Anfangsbuchstaben des Vor- und Familiennamens), das Geburtsdatum und das Geschlecht der:des Kranken bzw. Verstorbenen sowie bei der Meldung der Erkrankung an AIDS auch die relevanten anamnestischen und klinischen Angaben zu enthalten.

Bei Verstoß gegen die Meldepflicht besteht die Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach § 9 Abs. 3 AIDS-Gesetz 1993.

​​​​​​Meldepflicht nach Geschlechtskrankheitengesetz

Übertragbare Geschlechtskrankheiten im Sinne des § 1 des Geschlechtskrankheitengesetzes sind ohne Rücksicht auf den Sitz der Krankheitserscheinungen Gonorrhoe (Tripper), Syphilis, Ulcus molle (Weicher Schanker), Lymphogranuloma venereum (Lymphogranuloma inguinale).

Jede:r Ärzt:in, die:der in Ausübung ihres:seines Berufes von einer Geschlechtskrankheit Kenntnis erhält, ist gemäß § 4 Geschlechtskrankheitengesetz zur Meldung verpflichtet, wenn eine Weiterverbreitung der Krankheit zu befürchten ist oder sich die:der Kranke der ärztlichen Behandlung oder Beobachtung entzieht.

Die Meldung ist an die für den Wohnort der erkrankten Person zuständige Bezirksverwaltungsbehörde nach dem im Geschlechtskrankheitengesetz als Anlage A abgedruckten Muster zu erstatten.

Bei Verstoß gegen die Meldepflicht besteht die Möglichkeit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe nach § 12 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetz.

Epidemiologisches Meldesystem (EMS)

Das EMS ist ein gemäß § 4 EpiG von der:dem Gesundheitsminister:in betriebenes elektronisches Register. Es dient der Erfüllung der Aufgaben der Gesundheitsbehörden zur Überwachung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten. Die Bundesländer betreiben weiters eigene Systeme, die mit dem EMS verknüpft sind.

Im EMS werden die Daten aus Anzeigen gemäß EpiG und Meldungen gemäß Tuberkulosegesetz sowie darüberhinausgehende relevante Daten, welche von den Bezirksverwaltungsbehörden für die Überwachung und Bekämpfung anzeigepflichtiger Krankheiten erhoben werden, verarbeitet. Die erhobenen Daten werden solange wie für die Aufgabenerfüllung gemäß § 4 Abs. 2 EpiG notwendig im EMS gespeichert. Weiters werden die Daten zwecks statistischer Auswertung im Statistikregister gemäß § 4a Abs. 3 und 4 EpiG pseudonymisiert aufbewahrt.

Die unmittelbare elektronische Meldung in das EMS erhöht die Effizienz und Effektivität des Meldewesens signifikant und gewährleistet eine sichere Übermittlung von Daten. So können im Vergleich zu (hand-)schriftlichen Meldungen die Datenqualität gesteigert, Personalressourcen gespart und die Übermittlungsdauer gesenkt werden.

Des Weiteren ist eine Validierung und Qualitätskontrolle der Information durch technische Hilfsmittel möglich. Darunter fallen insbesondere der Datenabgleich mit dem Zentralen Melderegister (ZMR), das technische Implementieren von Regeln, um Fehleinträge zu verhindern. Weiters erfolgt eine Qualitätskontrolle durch die AGES. Dies vermindert den Verwaltungsaufwand für Meldende und Behörden.

Im Ergebnis wird das Setzen von gesundheitsbehördlichen Maßnahmen beschleunigt, was den Betroffenen sowie potentiell gefährdeten Personen zugutekommt. Labore haben ihrer Meldeverpflichtung durch elektronische Eingaben in das EMS nachzukommen. Ärzt:innen können ebenfalls elektronisch in das EMS melden.

​​​​​​Internationale Meldeverpflichtungen

Gemäß der Internationalen Gesundheitsvorschriften (2005, IGV) haben Staaten im eigenen Hoheitsgebiet auftretende Ereignisse im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu bewerten und bei Vorliegen einer schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahr eine entsprechende Meldung innerhalb von 24 Stunden an die WHO zu veranlassen. Eine vergleichbare Verpflichtung besteht gemäß Verordnung (EU) 2022/2371 auch auf europäischer Ebene.

Die Erfüllung der internationalen Meldeverpflichtung erfolgt durch die:den Gesundheitsminister:in als nationale IGV-Anlaufstelle und für das EU-Frühwarnsystem zuständige nationale Behörde. Tritt in Österreich eine grenzüberschreitende Gesundheitsgefahr gemäß Art. 6 /Anlage 2 IGV (2005) oder Art. 19 Verordnung (EU) 2022/2371 auf, hat die Bezirksverwaltungsbehörde dies umgehend dem für öffentliche Gesundheit zuständigen Amt der Landesregierung zu melden, welches in Folge umgehend die:den Gesundheitsminister:in zu informieren hat. Die Behörden auf Bezirks- und Landesebene sind dazu verpflichtet, der:dem Gesundheitsminister:in alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die zur Erfüllung der Meldeverpflichtung erforderlich sind.

Im Zusammenhang mit einer schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahr sind auch internationale Fall- und Kontaktpersonennachverfolgungen vorgesehen, die im Auftrag des Gesundheitsministeriums von der AGES koordiniert werden. Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die zur Fall- und Kontaktpersonennachverfolgung erforderlichen Informationen der AGES zu melden. Diese leitet die Information an die zuständigen ausländischen Behördenstellen weiter. Wird die AGES vom Ausland über einen Österreich betreffenden Fall in Kenntnis gesetzt, informiert diese wiederum die zuständige Gesundheitsbehörde in Österreich, um die Fall- und Kontaktpersonennachverfolgung sicherzustellen.

Sowohl die Meldung von schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren als auch der Austausch über Fall- und Kontaktpersonennachverfolgungen im EU/EWR-Raum erfolgen über die europäische Frühwarn-Plattform EWRS, die für Österreich durch die AGES operativ betreut wird.

Zusätzlich besteht auf europäischer Ebene die Verpflichtung, dem Europäischen Zentrum für Prävention und Seuchenkontrolle (ECDC) regelmäßig anonyme Daten über in Österreich aufgetretene übertragbare Krankheiten sowie bei Bedarf epidemiologische und mikrobiologische Informationen über Fälle von übertragbaren Krankheiten und Krankheitserregern, die Österreich betreffen und die öffentliche Gesundheit in der EU/EWR gefährden könnten, zu übermitteln. Diese Meldungen erfolgen operativ ebenfalls durch die AGES für die:den Gesundheitsminister:in.